Das Recht der sozialen Sicherung in Entwicklungsländern als Mehrebenenrecht
Soziale Menschenrechte | DFG-Projekt: Menschenrechtsbasierte Gesundheitssicherung | MERCUR-Projekt: CSR und Sozialstandards in der Asiatischen Textilindustrie | Sozialrechtsreformen | Social Protection Floor | EADI Working Group
Die Überwindung sozialer Not in den Schwellen- und Entwicklungsländern ist heute mehr denn je eine Kernaufgabe der Entwicklungspolitik und damit auch Gegenstand des Entwicklungsrechts. Regelungen etwa zur Gesundheitsversorgung, zur Alterssicherung oder zur sozialen Grundsicherung finden sich sowohl in den nationalen Rechtsordnungen – dort insbesondere in den Verfassungstexten und im jeweiligen Sozial- bzw. Gesundheitsrecht – als auch in verschiedenen Teilbereichen des internationalen Rechts. So gelten soziale Rechte mittlerweile als fester Bestandteil des globalen und regionalen Menschenrechtsschutzes, mehrere UN-Organisationen (insbesondere ILO und WHO) befassen sich in ihrer standardsetzenden Tätigkeit mit Fragen der sozialen Sicherung, darüber hinaus findet man einschlägige Anknüpfungspunkte aber auch in anderen multilateralen und bilateralen entwicklungsvölkerrechtlichen Vertragswerken sowie nicht zuletzt im entwicklungsvölkerrechtlichen soft law.
Das Recht der sozialen Sicherung ist also – ebenso wie in den meisten Industrieländern, so auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern – heute ein klassisches Mehrebenenrecht. Der Normenbestand der nationalen sozialen Sicherungssysteme wird seit einigen Jahren in vielen Ländern grundlegend neugestaltet. Dabei erfolgt die Steuerung der Reformprozesse u. a. auch durch übergeordnete, auf internationaler Ebene angesiedelte entwicklungs- und sozialpolitische Konzepte und internationalrechtliche Normprogramme. Im Rahmen mehrerer Einzelprojekte, die seit 2011 am Lehrstuhl durchgeführt werden, werden die Verflechtungen zwischen diesen verschiedenen Regelungsebenen analysiert.
Aktuelles:
- Ein Globaler Fonds für soziale Sicherung könnte Niedrigeinkommensländern helfen, langfristig Kapazitäten zur Finanzierung von sozialen Sicherungsprogrammen für ihre Bevölkerung aufzubauen und so die weitere Ausbreitung extremer Armut zu verhindern. Eine kurze Einführung in dieses von UN-Menschenrechtsexperten entwickelte und derzeit sowohl auf UN-Ebene als auch im G7/G20-Prozess diskutierte Projekt findet sich in der Zeitschrift Entwicklung+Zusammenarbeit, im Daily Maverick (Südafrika) sowie im Weltriskobericht 2021 (S. 17 ff.). Fragen einer möglichen Governance-Struktur eines derartigen neuen Finanzierungsmechanismus werden in den Studien “Governance Principles for a Global Fund for Social Protection” (FES) und “Expanding Global Social Protection – Options for the design of an international financing mechanism” (FES) behandelt (siehe hierzu auch die Kurzbeiträge unter social-protection.org und im ipg-journal). Allgemein zur Finanzierung von Sozialsystemen im Globalen Süden siehe den Beitrag “Financing universal social protection during COVID-19 and beyond: Investing more and better” in Policy in Focus 19/2 (2021), Seite 36-38.
- Im Rahmen des Programms European Joint Doctorate (EJD) ADAPTED (“Eradicating Poverty: Pathways towards Achieving the Sustainable Development Goals”) werden von Prof. Dr. Kaltenborn zwei Teilprojekte zum Recht der sozialen Sicherung betreut (ESR 11 zu “Rights-based social assistance schemes” und ESR 12 zum Thema “Building coherent social protection systems”) .
- Handbuchbeitrag “Human Rights Approaches”, in: Esther Schüring / Markus Loewe (Hrsg.), Handbook of Social Protection Systems, Edward Elgar, Cheltenham 2021.
- Lexikonbeitrag “Social Protection”, in: Koen De Feyter/Gamze Türkelli/Stéphanie De Moerloose (Hrsg.), Law and Development Encyclopedia, Edward Elgar, Cheltenham, 2021.
- “Das ›Soft Law‹ im Bereich der sozialen Sicherung”: Aufsatz in der Zeitschrift “Vereinte Nationen” Heft 2/2019, Seite 57-62
- Vortrag zum Thema “Soziale Sicherung. Begriffe, Akteure und aktuelle Entwicklungen” bei den Potsdamer Frühjahrgesprächen (April 2018).
- “Globales Sozialrecht – Soziale Sicherung als Aufgabe Internationaler Organisationen”, in: Franz Ruland / Ulrich Becker / Peter Axer (Hrsg.), Sozialrechtshandbuch (SRH), 6. Aufl. 2018, § 37.
- “The Influence of Policy and Legal Frameworks on the Development of National Social Protection Systems”: Studie des Institute of Development Studies (Sussex) zu den politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Reform sozialer Sicherungssysteme (am Beispiel des ghanaischen Sozialsystems).
- “Beyond Addis: Financing Social Protection in the 2030 Agenda”: Kommentar zur Finanzierung der Social Protection Floors auf der UNRISD-Webseite “Social Protection and Human Rights”.
- Zusammen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und der Gesellschaft für afrikanisches Recht organisiert das Institut für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik (IEE) im November 2016 in Berlin eine Tagung zum “Recht der sozialen Sicherung in Afrika”.
- “Globale soziale Sicherung. Neue Impulse durch die 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung”, Global Governance Spotlight 7/2015.
- Einen Überblick über die grundlegenden Fragestellungen des Themenfeldes bietet der Beitrag “Soziale Rechte und Entwicklung. Das Recht der sozialen Sicherung in Entwicklungs- und Schwellenländern”, der im Frühjahr 2014 in dem Sammelband “Entwicklung und Recht. Eine systematische Einführung” (hrsgg. von Ph. Dann, St. Kadelbach und M. Kaltenborn) erschienen ist.
- Eine ausführliche Analyse der Dogmatik der sozialen Rechte, die die rechtliche Grundlage sozialer Sicherungssysteme bilden, enthält das Ende 2014 im Springer-Verlag erschienene Buch “Social Rights and International Development: Global Legal Standards for the Post-2015 Development Agenda”.